„Da viele Brücken das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben, besteht ein hoher Bedarf an Ersatzinvestitionen in den kommenden Jahren. Unterbleiben diese, können spürbare Verfügbarkeitsprobleme entstehen.“ So ist es im 336-seitigen Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht 2013 der Deutschen Bahn AG nachzulesen. Auf die Brisanz der Inhalte dieses Berichtes wurden die Medien und die politischen Parteien erst nach und nach aufmerksam.
Die DB unterhält demnach aktuell annähernd 25 000 Brücken unterschiedlicher Bauformen (Tab. 1). Das Durchschnittsalter aller Brücken wird mit 56,4 Jahren angegeben, wobei neben den Gewölbebrücken auch die fast 4500 Stahlbrücken deutlich über dem angegebenen Altersdurchschnitt liegen.
Zur Qualitätsbeurteilung wird jede Eisenbahnbrücke einer Klassifizierung in Kategorien zwischen 1 und 4 zugeordnet. Die Klassifizierung erfolgt im Rahmen von regelmäßigen Begutachtungen nach der DB Richtlinie 804. Im Jahr 2013 wurden dabei 1145 Brücken in Kategorie 4 eingeordnet. Kategorie 4 wird vergeben bei Brücken, die gravierende Schäden aufweisen. Eine grafische Darstellung der Verteilung dieser Kategorie-4-Brücken zeigt deutlich, dass der Westen der Bundesrepublik Deutschland überproportional betroffen ist, was eine direkte Folge der jüngsten deutschen Geschichte sein dürfte (Abb. 1). Nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1989 lag die Konzentration lange Jahre auf der Modernisierung der Eisenbahninfrastruktur in den neuen Bundesländern und der Wiederherstellung der Verbindungen zwischen Ost- und Westdeutschland. Weniger im Fokus lag die Instandhaltung der vorhandenen Infrastruktur im Westen Deutschlands. Bedeutet der Neubau der 1145 maroden Brücken zunächst vor allem Einschränkungen im Eisenbahnbetrieb, stellen die etwa 6800 Brücken der zweitschlechtesten Kategorie 3 für die Ingenieure im Eisenbahnwesen eine erhebliche Anstrengung im Bereich der Unterhaltung dar.
Nachdem erst kürzlich über verschiedene Presseveröffentlichungen allgemein bekannt gemacht wurde, dass die Instandhaltungsmittel, die der Bund der Deutschen Bahn bereitstellt, ab 2015 von bisher durchschnittlich 2,7 Mrd. Euro auf 4,0 Mrd. EUR erhöht werden, kann aufgrund der zuvor genannten Fakten davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der zusätzlichen Mittel in die Instandhaltung und Modernisierung von Eisenbahnbrücken fließen könnte.
Intelligente Lösungen sind nötig
Niemand bestreitet, dass die zusätzlichen Mittel benötigt werden, aber schon die Umsetzung der bisherigen Gelder war mit den vorhandenen personellen Ressourcen im Eisenbahnwesen kaum zu bewältigen. Zu spät wurde von vielen erkannt, dass kontinuierliche und gezielte Aus- und Weiterbildung notwendig ist, um altersbedingte Abgänge von Fachkräften auszugleichen. Intelligente Lösungen in den Bereichen Bauausführung, Planung und Vermessung sind also gefragt, um das fehlende Personal zumindest teilweise durch effektivere Prozesse auszugleichen. Im Bereich der Vermessung können die Laserscantechnik und bildverarbeitende Systeme ein Lösungsansatz sein, die Zeiten für örtliche Außendienstarbeiten zu reduzieren und den Planern und bauausführenden Unternehmen Ergebnisse in einer Form zu liefern, die wiederum deren Arbeiten effektiver gestalten.
Gerade im Bereich von Stahlbrücken mit Brückenbalken ist der Aufwand, der für den Austausch von Brückenbalken entsteht, für alle Beteiligten erheblich. Die GI-Consult GmbH hat in den vergangenen beiden Jahren zwei große Brückenbalkenprojekte vermessungstechnisch bearbeitet. Dabei wurde die Hohenzollernbrücke in Köln im Jahr 2013 noch mit herkömmlicher Technik erfasst, wie sie grundsätzlich schon seit Jahrzehnten eingesetzt wird. Anfang des Jahres 2014 wurden dann die Brückenbalken der Herrenkrugbrücke in Magdeburg durch einen modifizierten Gleismesswagen mittels 3D-Laserscanning erfasst.
Die Hohenzollernbrücke
Die Hohenzollernbrücke ist eine Brücke über den Rhein in unmittelbarer Nähe zum Kölner Dom und Kölner Hauptbahnhof. Die Brücke wurde in den Jahren von 1907 bis 1911 gebaut und am 22. Mai 1912 von Kaiser Wilhelm II. eröffnet (Abb. 2a). Auf seinen Wunsch hin wurde die Brückenachse in Verlängerung der Mittelachse des Kölner Doms geplant und gebaut (Abb. 2b), womit der Kaiser unter Beweis gestellt hatte, dass er kein Eisenbahn-, sondern eher ein Tourismusexperte gewesen ist. Ursprünglich war die Brücke als Eisenbahn- und Straßenbrücke geplant. Nach der Sprengung des Bauwerks durch die Deutsche Wehrmacht am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie nach dem Krieg nur noch für Eisenbahnverkehr und Fußgänger wiedererrichtet. In den Jahren von 1985 bis 1989 erweiterte man die Brücke um zwei S-Bahngleise, so dass heute über die 410 m lange Brücke täglich mehr als 1200 Züge den Rhein überqueren.
Die Herrenkrugbrücke
Die Herrenkrugbrücke in Magdeburg ist dagegen nicht einer solch starken Verkehrsbelastung ausgesetzt. Sie überquert nahe des Magdeburger Hauptbahnhofes die Elbe in Richtung Berlin. Die Herrenkrugbrücke selbst besteht aus fünf Überbauten und hat eine Gesamtlänge von 480 m. Es schließt sich unmittelbar eine gesonderte Eisenbahnüberführung mit einer Länge von 205 m an, die den Hochwasserbereich der Elbe überspannt. Die Brücke wurde in den Jahren von 1869 bis 1872 erbaut und im Mai 1873 in Betrieb genommen (Abb. 3a). Ebenso wie die Hohenzollernbrücke in Köln ist auch die Herrenkrugbrücke am Ende des Zweiten Weltkrieges von der Deutschen Wehrmacht zerstört worden. Sie konnte aber bereits 1946 wieder in Betrieb genommen werden. Notwendigerweise erfolgte 1979 ein weiterer Neubau der Brücke (Abb. 3b).
Optimierte Gleismesssysteme
Bereits seit 2004 entwickelte die GI-Consult ein eigenes Gleismesssystem unter dem Namen Raillakai. Dieses System konnte in vielen Projekten zum Einsatz gebracht werden, jedoch war die Wartung und Weiterentwicklung aufwändig. So wurde im Sommer 2013 die Entscheidung getroffen, die Eigenentwicklung einzustellen und das auf dem Markt verfügbare Trimble Gedo CE-System zu erwerben und unter dem Markennamen Rail:y mit auf die Projekterfordernisse angepassten Softwarelösungen für die Abarbeitung von Eisenbahnvermessungsprojekten einzusetzen.
Das Trimble Gedo CE (Abb. 4) ist mit weniger als 20 kg ein sehr leichtes System, das von einer Person bequem transportiert und getragen werden kann. Die Positionierung erfolgt entweder mit einer Totalstation oder mit einem Global Navigation Satellite System (GNSS)-Empfänger. Überhöhung und Spurweite werden von entsprechenden Sensoren erfasst und zusammen mit den Positionsdaten abgespeichert. Über einen Wegegeber kann das System über in der Örtlichkeit vorhandene Punkte, deren Station bekannt ist, ohne den Einsatz von Totalstation und GNSS positioniert werden. Es besteht die Möglichkeit, einen Scanner auf einem vorgerichteten Scannerturm aufzusetzen und entweder senkrecht zur Fahrtrichtung oder in einem Winkel von 45 Grad nach vorne zu scannen. Zuletzt wurde ein Kamerasystem adaptiert, mit dem Photodokumentationen ermöglicht werden, bei denen Kamerastandpunkt und Photorichtung abgespeichert und in einem GIS- oder CAD-System dargestellt werden können. Standardanwendungen eines solchen Gleismesssystems sind die Gleisdokumentation und Gleisabnahmen, die Einrichtung und Abnahmen von Gleisen in Fester Fahrbahn, das Vormessen für Gleisstopfmaschinen und das Scannen von Lichtraumengstellen sowie die Tunnel- und Brückenerfassung.
Für die Lichtraumengstellenerfassung wird das Gleismesssystem Trimble Gedo Scan im Helical-Scan-Modus über die Gleise des zu bearbeitenden Gleisabschnittes geschoben und erfasst mit hoher Drehfrequenz bis zu 976 000 Punkte in der Sekunde. Die entstehende Punktwolke wird mit der Trimble Gedo Scan-Software so bearbeitet, dass aus der Punktwolke zunächst der Istgleisverlauf entwickelt wird, auf dem man dann das DBseitig vorgegebene Engstellenprofil (Raum für die Engstellendokumentation) virtuell durch die Punktwolke schiebt. Alle Punkte, die innerhalb des definierten Profils liegen, werden eingefärbt und anschließend so weiterverarbeitet, dass das von der DB AG geforderte Abgabeformat entsteht.
Eine weitere Standardanwendung ist das Scannen von Tunneln, das nach der DB Richtlinie 853 als Grundlage für Tunnelinspektionen durchzuführen ist. Bei dieser Anwendung geht es insbesondere um die Überprüfung der Tunneloberfläche hinsichtlich vorhandener Risse oder anderer Beschädigungen. Selbstverständlich können auch Tunnelprofile oder die Abwicklung der Tunneloberfläche zur farbigen Darstellung von Unter- oder Überprofilen erstellt werden.
Brückenbalken vermessen
Grundlage der Brückenbalkenvermessung ist die DB Richtlinie 883.0034. Dort wird zunächst dargestellt, welche Informationen die Aufgabenstellung des Auftraggebers enthalten müssen. Aufbauend darauf wird anschaulich dargestellt, in welchem Umfang Vermessungsleistungen durchgeführt werden müssen und welche zusätzlichen Informationen zu erfassen sind. Neben der Vermessung der Ist-Gleisgeometrie einschließlich vorhandener Zwangspunkte und Schienenauszüge sind:
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die Länge und Breite der vorhandenen Brückenbalken,
- der Verlauf der Innenkanten der Längsträger oder Mitten der Zentrier- und Nasenleisten,
- der Abstand zwischen den Trägerinnenkanten,
- die Vorderkanten der Kammermauern,
- die Lage, Höhe und Breit der Querträger,
- die Höhen der Obergurte,
- Lochabstände und -höhen sowie
- Lage und Höhe der inneren Randwegbegrenzung zu messen
Als Sachinformationen sind unter anderem die Anzahl und Länge der Überbauten, die Stützweiten, die Befestigungsart, die Oberbauformen sowie die Art der Randwegabdeckung zu ermitteln.
Durchgeführt werden die meisten Arbeiten mit Messbändern oder Zollstöcken. Die Höhenmessung erfolgt mit Digitalnivellieren und wo es sich anbietet, wie beispielsweise bei der Erfassung der Gleisgeometrie, wird mit Totalstationen gemessen. Die „Speicherung“ der Messdaten erfolgt anhand von Skizzen und händisch auszufüllenden Wertetabellen. Für eine Brücke mit 2000 Brückenbalken sind annähernd 30 000 Maße zu messen.
Da die DB Netz AG den Betrieb ihrer Gleisanlagen mit möglichst wenigen Einschränkungen durchführen möchte, müssen die Arbeiten in der Regel nachts ausgeführt werden. Meist ist nur jeweils ein Gleis gesperrt, um auf den anderen Gleisen bzw. dem Gegengleis den nächtlichen Güter- und Personenverkehr abwickeln zu können. Darüber hinaus müssen die Abdeckplatten, die über den Brückenbalken angebracht sind, für die Vermessungsarbeiten temporär demontiert werden. Bewertet man diese arbeitsintensiven und gefährlichen Umstände, erkennt man, wie wichtig die Entwicklung alternativer Messmethoden ist.
Das modifizierte Trimble Gedo CE Scan
Im Zusammenhang mit der laufenden Modernisierung des Knotens Magdeburg begannen 2013 die Vorplanungen für eine grundlegende Brückenbalkenerneuerung. Aufgrund der engen Zeitschiene ergab sich die Frage, ob die für die Vorplanung benötigten Daten mit Vermessungsmethoden durchzuführen sind, die zu einer Verkürzung der örtlichen Vermessungsarbeiten führen. Da bereits erste Konzepte zum Einsatz der Scannertechnologie für die Vermessung der Brückenbalken bei der GI-Consult entwickelt wurden, konnte dem Kunden sehr schnell ein Lösungsansatz präsentiert werden. Grundlage der Überlegungen waren die seit Oktober 2013 verfügbaren drei Gleismesssysteme Trimble Gedo CE, die mit einer eigenen Farbgebung unter dem Markennamen Rail:y (Abb. 5) für viele Dienstleistungen im Gleisbereich bereits eingesetzt wurden. Die Konzeption sah vor, die Arbeiten in zwei Nachtschichten durchzuführen. Die Arbeiten wurden für die Nächte 2. / 3. und 3. /4. Januar 2014 geplant und konnten seitens der DB AG betrieblich kurzfristig eingeordnet werden.
Für die Messung mit dem Trimble Gedo CE Scan-System wurde der Scanner auf einem über einer Schiene montierten Scannerturm befestigt und so nach unten gekippt, dass die Erfassung der Brückenbalken, der Querträger und der Auflageträger mit Nasenleiste möglich ist (Abb. 5). Die Erfassung erfolgte für das eine Gleis in der ersten Nacht in Hin- und Rückfahrt, für das zweite Gleis wurden die gleichen Arbeiten in der folgenden Nacht durchgeführt. Die Referenzierung der Punktwolke erfolgt im Postprocessing über die gerechnete Stationierung der erfassten Gleise und die Erfassung des zurückgelegten Weges im Gleis mittels des integrierten Odometers. Die Messungen erfolgten je Gleis zunächst in Kilometrierungsrichtung. Unmittelbar anschließend wurde das System auf dem Gleis gedreht und das Gleis gegen die Kilometrierung ein weiteres Mal erfasst. Somit konnten bei der Hinfahrt die Brückenbalken, Längsträgerverläufe usw. an der Außenseite der Brücke gemessen werden, auf der Rückfahrt die Innenseite. Um Restabweichungen der Odometermessung auszugleichen, wurden im Voraus entsprechende Passpunkte im Gleis tachymetrisch bestimmt. Aufgrund der Tatsache, dass dieses System zum ersten Mal für die Erfassung von Brückenbalken eingesetzt worden war, wurde als weitere Überbestimmung bei einer der beiden Fahrten die Gleisgeometrie im Trackingmodus von einer Totalstation registriert.
Mit dieser Vorgehensweise konnten die Arbeiten im Außendienst extrem verkürzt werden. Die Extrahierung einer hochgenauen Punktwolke (Abb. 6) aus den Scannerdaten, die Filterung des Punktrauschens sowie die anschließende CAD-Bearbeitung (Abb. 7 und 8) zur Erstellung des Brückenbalkenverzeichnisses verursachen auch weiterhin erhebliche Zeitaufwände. Für den Bauherrn ergibt sich jedoch in jedem Falle eine erhebliche Kostensenkung, da der Aufwand für die Sicherung der Vermessungsarbeiten deutlich gemindert und betriebliche Einschränkungen weitgehend vermieden werden können.
Literatur
[1] DB AG, „Richtline 883.0034: Brückenschwellenverzeichnis erstellen“, gültig ab 01.01.2006
[2] DB Netze, „Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung – Eisenbahninfrastrukturzustands- und –entwicklungsbericht 2013“
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Hohenzollernbr%C3%BCcke, 06.01.2015 um 17:30 Uhr
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_ Berlin%E2%80%93Magdeburg , 06.01.2015 um 17:30 Uhr
[5] http://www.gruene-bundestag.de/themen/verkehr/ verfall-der-verkehrswege-stoppen_ID_4392556.html , 06.01.2015 um 17.30 Uhr